Die Weiber von Weinsberg

Zwei Schlachtrufe: Hie Welf! — Hie Waib­ling! und ein fröh­liches Gelächter schallen über acht Jahrhun­derte zu uns her. Die Schlachtrufe, mit denen die ver­fein­de­ten Fürsten­häuser der Welfen und Staufer Deutsch­land zer­ris­sen, ste­hen heute nur noch in den Geschichts­büch­ern. Aber das Lachen über die List, mit der die Frauen der eroberten Wein­berger Burg ihre Män­ner vor der Rache des Siegers ret­teten, ist im Volk lebendig geblieben.
Ganz Deutsch­land kennt die köstliche Geschichte. Sie hat den Vorzug, wahr zu sein. Manche Forscher bezweifeln sie, weil unsere älteste Quelle, die Pöhlder Chronik, sie nicht erwähnt; erst die näch­ste, die Köl­ner Königschronik, auch noch im Jahrhun­dert des Vor­falls geschrieben, berichtete die Weib­er­tat. Aber in Köln war man in diesem Fall besser ori­en­tiert: der Köl­ner Dom­pro­bst Graf Wied war als Kan­zler des Königs sel­ber bei der Belagerung dabeigewe­sen! Er wurde 1152 Erzbischof in Köln; der Schreiber der Köl­ner Chronik mußte von ihm und seinem Gefolge wis­sen, das der Pöhldener im Harz nicht wußte oder für nicht so bericht­enswert hielt. — Später haben 22 Bur­gen und Städte sich diese Geschichte zugeschrieben, aber dies spricht ja nur dafür, wie sehr der Vor­fall eingeschla­gen hatte. Weins­berg ist der Ort, wo er sich zuge­tra­gen hat, und diese Stadt darf stolz darauf sein. Die Geschichtlichkeit ist in diesem Fall nicht gle­ichgültig. Schöne Taten kann jeder erfinden, aber hier ist eine geleis­tet wor­den. In einer bluti­gen, dumpfen Zeit hat die erfind­erische Men­schlichkeit der Schwachen über die Gewalt­tätigkeit der Mächti­gen gesiegt. Es waren Frauen, — weist das nicht einen Weg? Män­ner bes­tim­men sonst den Gang der Geschichte — ist sie bisher nicht ein einziges Schlacht­feld?
Paul Wan­ner